Der letzte Tag einer langen Reise. Er beginnt mit Ärger. Ich muss mit dem Schiff von Lugano aus nach Bruno Funiva übersetzten. Der eigentlich sehr nette Herr von der Schifffahrtsgesellschaft, verkauft mir voll Stolz eine kombinierte Fahrkarte für das Schiff und die Seilbahn. Zum Abschluß der Wanderung will ich den Berg vom See weg mit der Seilbahn rauffahren. Denn der Tag wird extrem heiß und die Strecke ist mit 30km lang und bergig. Der Kontrolleur spricht noch mit mir über die Reise und einmal Seilbahn….Dann stehe ich am Ufer und bei der Seilbahn steht ein großes Schild
Nur Mittwoch bis Sonntag in Betrieb.
Auf dieser Station kein Ansprechpartner so stiefel ich verärgert los und weiß, der Tag wird noch länger und anstrengender als sowieso schon.
Dank der Wasserstellen die es hier im Süden oft gibt, geht mir das Trinkwasser nicht aus und das benötige ich in rauen Mengen. In Mendrisio, der letzten großen Stadt in der Schweiz führt der Weg nur durch das Industriegebiet. Grauenvoll! Der Industriebahnhof wird umgebaut und die geplante Unterquerung kann ich nicht benutzen. Also ein Umweg von mehr als einem km, ich muss eine andere nehmen. Die nächste ist nur für Autofahrer gedacht und ich lege einen Spurt hin damit ich in einer Verkehrspause unbeschadet durchkomme. Danach verläuft der Weg durch ein schattiges renaturiertes Flußtal, sehr angenehm zu laufen.
Dann kommt der letzte Berg. Auf meinem Höhenprofil sehe ich, es wird ein langer, teilweiser steiler Aufstieg bei 35 Grad und wenig Schatten. Inzwischen bin ich eigentlich geduldig was Wege betrifft, es hilft nichts sich darüber aufzuregen. Aber der Berg will und will kein Ende nehmen. Dann kommt die Schweizer Grenze. Ein Zaun, an dem ich lang laufe um durch zu kommen. Das klappt dann auch endlich, aber danach gibt es nur wenig Schilder und viel mehr Wege als auf meiner Onlinekarte ersichtlich und nur durch Versuch und Irrtum finde ich den richtigen Weg.
Leider ist die Landesgrenze nicht oben am Berg, es geht weiter nach oben. Irgendwann ist das auch geschafft und ich werde mit der ersten Aussicht auf den Comer See belohnt.
Hinab wird es abenteuerlich. Der Weg ist am Anfang eine ausgewiesene Profi Mountainbikestrecke. Ich komme fast nicht vorwärts. Irgendwann wird es leichter ich darf auf einer schmalen Straße laufen fast nichts los. Dann ist diese auf einmal wegen Bauarbeiten gesperrt. Ich bin ja immer noch am steilen Abstieg des Berges und ein anderer Weg findet sich nicht so einfach. Da es schon nach 17.30 Uhr ist , denke ich zu Fuß komme ich schon durch, es arbeitet ja keiner mehr. Es hat geklappt war aber nicht leicht. Zwischendurch habe ich mal immer wieder Blickkontakt mit dem See und denke jetzt bin ich gleich unten. Dann endet die Treppe abrupt an einer schmalen Ausfallstrasse die ich etwa 500 Meter bergab gehen soll. Am Boden ein abgetrennter Streifen für Fußgänger. In der Theorie. In der Praxis kommen die Autos so schon kaum aneinander vorbei und es interessiert sich keiner ob ich da komme. Da kann ich nicht langgehen. Auf jeder Seite hohe Stützmauern. Ich schaue verzweifelt auf meinen Plan auf dem Handy. Wenn ich einen km bergauf gehe müsste ich über die Bahngleise auf der anderen Seite , die da oben verlaufen, kommen. Also im tosenden Verkehr mit nur ganz wenig Platz für Fußgänger, bergauf. Ich bin schon fast oben, da wird die Straße wieder so eng, kein Durchkommen möglich, es ist mir zu gefährlich. Was mach ich jetzt, es bleibt nur der Weg zurück den ganzen Berg hinauf und von dort einen neuen Abstieg suchen. Da fällt mir ein , das ich eine Bushaltestelle gesehen habe. Also wieder ein Stück die Straße runter und tatsächlich, da ist sie und der Bus soll in zehn Minuten kommen. Er kommt und ich möchte nur eine Station mitfahren. Der Busfahrer lässt mich umsonst rein und so komme ich endlich den Berg runter. Ja und natürlich muss ich zuerst zum See.
Zwei Fotos und Nachrichten an die Familie, das ich es geschafft habe. Dann mache ich mich auf den Weg wo mein Mann und ein Sohn auf mich warten. Es ist nicht mehr weit. Das ganze Dilemma spielte sich zweieinhalb Kilometer vor dem Ziel ab. Bei dem ganzen Stress war keinerlei Zeit für Sentimentalitäten.
Jetzt habe ich es tatsächlich geschafft.
In drei Monaten und fünf Tagen habe ich ca. 2500 km zurück gelegt. Alles ist gut gegangen und ich bin gesund angekommen.
An dieser Stelle gebührt der Dank meiner ganzen großen Familie. Besonders meinem Mann, der mich hat ziehen lassen und ich kein schlechtes Gewissen deswegen haben musste, meinen Eltern und Geschwistern die viele Sorgen von mir fern gehalten haben, so dass ich nicht immer, aber doch meistens guten Gewissens meinen Wunsch in Erfüllung gehen lassen konnte.
Allen, die mir ab und zu geschrieben haben danke ich für die aufmunternden, anerkennenden Gedanken. Euer Interesse hat mich gefreut und gerührt.
Das Wissen, in Worten und Gedanken begleitet zu sein, tröstet in einsamen Momenten sehr. Selten, aber es hat sie eben doch gegeben.
Ansonsten bin ich einfach dankbar, das mir diese Wanderung gesundheitlich vergönnt war und sie wird unvergessen bleiben.
Als Antwort auf viele anerkennende Worte zu dieser Leistung möchte ich folgendes sagen:
Das Besondere ist nicht die Leistung an sich, sondern das ich mir diesen Wunsch erfüllt habe.
Liebe Martina,
herzlichen Glückwunsch für dein Durchkommen und Durchhalten. Ein großes Vorbild bist du für mich geworden, seit wir uns nahe der Lahnquelle begegnet sind. Oft denke ich an dich, dein leichtes Gepäck, deine Leichtfüßgkeit. Ich glaube, du hattest es anders empfunden aber so wirktest du auf mich. Deine Schilderung der Ankunftsetappe erinnert mich ein wenig an meine Ankunftsetappe auf meinem Pilgerweg. Es war auch sehr heiß und ich hatte mehrfach den Weg verloren. Aber im Vergleich, war meine Erfahrung wesentlich harmloser, verzweifelt genug war ich dennoch.
Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und ich freue mich für dich, dass du im Hintergrund so tolle Unterstützer*innen hast.
Danke für unsere Begegnung und Gottes Segen wünscht dir
Katrin aus Kaiserslautern
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Gratulation Martina.
Bin Deinem Weg aufmerksam gefolgt. Ich habe für mich einen ähnlichen Wunsch, den ich zu verwirklichen hoffe. Insofern habe ich Deine Berichte und Photos gern gelesen.
Diese Wanderung wird in Dir sicherlich, wenn nicht heute, dann später den einen oder anderen Impuls auslösen. Auf jedenfalls wirksam sein.
Alles Gute,
Patricia aus Dortmund
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Liebe Patricia,
das freut mich wirklich das du bis zum Schluß dabei warst. Ja, das glaube ich auch das sich die Auswirkungen erst im Laufe der Zeit zeigen werden. Im Moment ist alles ganz unwirklich und ich hoffe wieder gut in den Alltag zu finden. Ich habe oft an euch zwei gedacht. Von den Menschen die mir begegnet sind, seid ihr mir sehr im Gedächtnis geblieben. Eine solche Freundschaft ist viel wert. Erhaltet sie euch.
Danke für deine Rückmeldungen in der Zeit.
Alles Gute auch für eure Wanderwochenenden, vielleicht sucht ihr euch einmal im Süden aus. Ich würde mich freuen von euch zu hören, ein Bett ist bei uns immer frei
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